Um die Energiewende zu bewältigen, muss mehr Strom aus erneuerbaren Quellen kommen. Dabei ist eine bisher unterschätzte Energieform in den Fokus gerückt: Biogas, wie es die Familie Vogt in Treischfeld produziert. Der Betrieb der Anlage ist zwar relativ teuer hat aber einen entscheidenden Vorteil.
ZWÖLF LANDWIRTE LIEFERN ZU
Die grünen "Zipfelmützen" sind für unsere ländlich geprägte Region mittlerweile charakteristisch: Im Kreis Fulda erzeugen knapp 50 Biogasanlagen 65 Gigawattstunden klimaneutralen Strom. Der Treischfelder Betrieb gehörte Mitte der Nuller-Jahre zu den Energie-Pionieren, die eine Chance darin sahen, als Landwirt Energieerzeuger zu werden. 2005 gab es im Ort einige Skepsis, weil mancher Geräusch- und Geruchsemissionen fürchtete, erinnert sich Winfried Vogt (67). Mittlerweile habe sich das aber gelegt, fügt sein Sohn Stefan (40) hinzu. Die Treischfelder haben die Vorteile der Anlage erkannt: Die rund 25 Haushalte, die an das Fernwärmenetz der Vogts angeschlossen sind, bezahlten zuletzt nur halb so viel wie jene, die sich mit Heizöl versorgen.
Circa 4,3 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt die Anlage im Jahr, sie könnte 1.200 Haushalte versorgen, erklärt der 67-Jährige. Biogas-anlagen können mit vielem gefüttert werden: mit Mist oder Gülle aus der Tierhaltung, Anbaumasse wie Gras und Mais, mit Grünschnitt und auch aus Resten der Lebensmittelherstellung. In Treischfeld werden etwa 40 Prozent Gülle und Mist und 60 Prozent Anbaumasse verwendet. Rund zwölf Landwirte aus der Umgebung liefern zu. Aus dem Biogas werden dann in einem Blockheizkraftwerk Strom und Wärme gewonnen.
Deutschlandweit trugen Biogasanlagen 2021 mit fast 13 Prozent einen wesentlichen Anteil zur erneuerbaren Stromerzeugung bei. Winfried und Stefan Vogt weisen auf die Vorteile hin: Biogasanlagen kommen dann groß raus, wenn "Dunkelflaute" herrscht, also keine Sonne scheint und kein Wind weht: Denn Biogas könne bedarfsgerecht in Strom umgewandelt werden, sagt der 40-Jährige. Und anders als Wind und Sonnenenergie kann Biogas gespeichert werden.
Allerdings sehen sich Anlagenbetreiber auch Kritik ausgesetzt und werden etwa für Monokulturen verantwortlich gemacht. Dem treten Stefan und Winfried Vogt entgegen: Für den Betrieb werde Anbaumasse genutzt, die nicht für den Verzehr geeignet sei; gerade dadurch entstehe die Möglichkeit, eine große Bandbreite an vielfältigen Kulturen anzubauen. Zudem könnten Treibhausgasemissionen reduziert werden, weil Gülle und Mist verwendet werden. Und mit dem Gärrest werde gedüngt. Diese Kreislaufwirtschaft ist den Vogts wichtig: "Wir haben in der Landwirtschaft schon immer in Kreisläufen gedacht: Wenn man aus der Erde etwas herausholt, muss man es auch wieder reinbringen", erklärt Winfried Vogt.
WUNSCH: MEHR PLANUNGSSICHERHEIT
Einen Nachteil gibt es auch: Biogas ist im Vergleich zu Wind und Sonne teuer. In drei Jahren läuft für Vogts die für 20 Jahre festgeschriebene Vergütung aus, die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelt worden war. Die Treischfelder wünschen sich mehr Planungssicherheit. Im vergangenen Jahr war das Gegenteil der Fall gewesen, da die Bundesregierung Biogasproduzenten für zurückliegende Erlöse mit einer Sondersteuer belegen wollte. Das ist mittlerweile vom Tisch. Sowohl der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand als auch sein Kollege von der FDP, Jürgen Lenders, hatten damals den Hof besucht und betonten, wie wichtig flexible Biogasanlagen in der aktuellen Krise und für die künftige Versorgungssicherheit seien. Über den Besuch haben sich Sohn und Vater Vogt gefreut. Aus ihrer Sicht könnten Biogasanlagen ihre Produktion erheblich ausweiten - wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind und Einschränkungen wegfallen.
Text: Sabrina Mehler
KENNZAHLEN
54% der erneuerbaren Energie wurden in Deutschland im Jahr 2021 aus Biomasse erzeugt.
Zwölfkommazwei % des erneuerbaren Stroms und fast zehn Prozent der erneuerbaren Wärme wurden allein durch Biogasproduktion erzeugt. Hinzu kommt die Nutzung von Biomethan im Strom- und Verkehrssektor.
96.000 BIOGASANLAGEN in Deutschland erzeugen eine elektrische Leistung von mehr als 5.600 Megawatt. Sie liefern Strom für mehr als neun Millionen Haushalte und decken 5,4 Prozent des Stromverbrauchs ab. Hinzu kommt die erzeugte Wärme, die ausreichend für über 2,5 Millionen Haushalte ist und etwa 10 Prozent der produzierten erneuerbaren Wärme ausmacht.