Über seine Stromrechnungen muss sich Wilhelm Brehl (65) nur wenige Gedanken machen: Der Eigentümer der Kappmühle in Mackenzell erzeugt Energie mithilfe seines Mühlrads selbst. Den Rest speist er ins öffentliche Netz ein.
„Wasserkraft war die erste Möglichkeit, ohne Muskelkraft mechanische Bewegungen zu erzeugen", erklärt Brehl, der die Kappmühle in dritter Generation betreibt. Sein Großvater hatte die Anlage an der Nüst 1920 erworben, noch sein Vater war bis zur Rente Lohnmüller, stellte also hauptberuflich Mehl sowie Futtergetreide her und betrieb eine kleine Landwirtschaft. Wilhelm Brehl, früher Maschinenbauer und heute Ruheständler, betreibt das Wasserrad nebenbei und erzeugt nun Strom: 30.000 Kilowattstunden im Jahr. „Damit können bis zu zehn Haushalte versorgt werden", sagt der 65-Jährige. Einen Teil der Energie zweigt er für sich ab, den Rest speist er ins öffentliche Netz ein und erhält dafür eine Vergütung.
Trotzdem ist der Anteil von Wasserkraft an der Stromerzeugung deutschlandweit gering, er lag im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt bei drei Prozent. 17 Milliarden Kilowattstunden wurden erzeugt - zum Vergleich: Windkraft kommt auf fast 130 Milliarden. Im Landkreis Fulda verrichten knapp 80 Wasserkraftwerke ihren Dienst, alle zusammen könnten mit ihrem sauberen Strom eine Stadt wie Hünfeld versorgen.
Brehl sieht im Betrieb von Wasserrädern mehrere Vorteile: „Die Energie wird vor Ort erzeugt, damit bräuchte es keine Nord-Süd-Trassen, die den Strom zu uns transportieren.“ Und die Wasserräder seien bereits vorhanden: „Sie müssen nicht extra gebaut werden wie bei der Photovoltaik oder Windkraft.“ Würden die Mühlen noch technisch weiter optimiert, könnten Wirkungsgrad und Leistungskraft erheblich gesteigert werden, glaubt der Mackenzeller. Allerdings weiß er von Betreibern, die Investitionen scheuen, weil sie politische Entscheidungen wie die Mindestwassermengen-Verordnung des Landes fürchten.
WIDERSTAND GEGEN VERORDNUNG
Auch im Kreis formierte sich Widerstand. Die Vorgabe zielt darauf ab, möglichst wenig Wasser aus den Mutterbächen in die Mühlgräben zu leiten, um den Fischbestand zu schützen. Dass sich sein Mühlrad negativ auf diesen auswirkt, glaubt Brehl nicht. Zum einen gibt es beim Wehr in der Nüst eigens eine Fischaufstiegshilfe. Zum anderen habe sich die Zahl der Fische aus anderen Gründen „um das Zigfache“ im Vergleich zu früher reduziert, als man die Forellen noch mit bloßen Händen fischen konnte.
Brehl zeigt auf eine kleine Stelle mit Schaum, der sich im Mühlgraben gebildet hat: „An der Arbeit des Müllers und der Technik des Mühlrads hat sich nichts geändert, dafür aber hat sich die Menge von Dünger und Nitrat erhöht, die in der Landwirtschaft eingesetzt wird.“ Dies werde hier sichtbar. „Mühlen werden häufig für Dinge verteufelt, für die sie gar nicht verantwortlich sind“, sagt Brehl.
Die Mühlenbetreiber hoffen auf ein Einlenken seitens der Politik. Denn wenn nicht genug Wasser abgezweigt werden kann und das Rad mehrere Monate lang stillstehen muss, bedrohe das die Existenz der Müller.
Schwierig könnte es künftig aber auch aus einem anderen Grund werden: wenn Bäche und Flüsse aufgrund Klimawandel und Trockenheit immer häufiger zu wenig Wasser führen. 2018 war das in Mackenzell der Fall, als weder der Bach rauschte noch die Mühle klapperte. Der 65-Jährige betont: „Wenn man nicht mit ein bisschen Liebe und Ehrgeiz hergeht und auch mal selbst repariert und instand setzt, dann rentiert sich das Ganze nicht." Auch andere Betreiber würden ihre Mühlräder nicht nur aus rein wirtschaftlichen Gründen erhalten: „Da ist immer auch Respekt vor der langen Historie dabei."
Text: Sabrina Mehler
Kappmühle
Seit rund 100 Jahren befindet sich die Kappmühle im Besitz der Familie Brehl. Ihr genaues Alter ist nicht bekannt. Früher wurden hier noch Mehl gemahlen und Futtergetreide zerkleinert, heute wird Strom erzeugt. Für den Betrieb des Mühlrads wird das Wasser aus dem Mutterbach Nüst abgezweigt, das in den rund 600 Meter langen Mühlgraben fließt, wo das Mühlrad durch die Strömungskraft des Wassers angetrieben wird. In den 1960er Jahren wurde das hölzerne Rad durch ein Stahl-Mühlrad mit einem Durchmesser von 4,80 Metern ersetzt.
Das Mühlrad funktioniert "unterschlächtig", das Wasser fließt also unter dem Rad hindurch. Entscheidend für die mechanische Leistung sind Fallhöhe und Wassermenge: 1,7 Meter rauscht das Wasser hinab; 500 Liter Wasser in der Sekunde werden so bewegt. Der Schwung des Mühlrads, das sich fünfmal in der Minute dreht, wird in Energie übersetzt. Im Inneren der Mühle wird ein dreistufiges Stirnradgetriebe angetrieben, das auf 320 Umdrehungen kommt. Der angeschlossene Generator bringt es auf 750 Umdrehungen. Der Strom fließt.
sam