"Der Wind weht, wo er will", weiß die Bibel. Doch das heißt nicht, dass dort, wo er weht, automatisch auch Windräder gebaut werden. Das wird spätestens beim Blick auf die Verbreitung der Anlagen im Landkreis Fulda deutlich. Das gilt für die zeitliche wie die räumliche Verteilung.
Seit dem Dezember 1994 schnurrt im Künzeller Weiler Dassen die erste Windkraftanlage Landkreises. Und weil das so etwas Besonderes war, bekam das Windrad sogar einen Namen. Danach geschah, was das Thema Windenergie anging, lange Zeit nichts.
PIONIERPROJEKTE UND VORBEHALTE
Schaut man heute auf die Übersicht der hessischen Windkraftanlagen (Link am Textende) und sortiert diese nach Landkreis und Datum, so ist dort der erste Eintrag für das Jahr 2002 vermerkt: Damals gingen die beiden Windräder zwischen den Eiterfelder Ortsteilen Körnbach und Leimbach ans Netz.
Mit einer Gesamthöhe von 100 Metern (Rotordurchmesser: 52 Meter) waren die Anlagen damals durchaus Hingucker. Ein von den Bürgermeistern und dem Landkreis in Auftrag gegebenes Gutachten habe seinerzeit die Standorte als möglich ausgewiesen, erinnert sich der damalige Bürgermeister Berthold Jost (CDU). Die Gemeindevertretung habe das Projekt abgelehnt, weiß der amtierende Verwaltungschef Hermann-Josef Scheich (parteiunabhängig). Doch inzwischen haben es die Windräder als typische Bauten in der Gemarkung auf die Leimbacher Willkommens-Tafeln am Ortseingang geschafft. Das liegt sicherlich an der ins Land gegangenen Zeit, aber wohl auch daran, dass die Rotoren im Vergleich zu heute entstehenden Anlagen beinahe den Eindruck erwecken, als schaue man auf eine Modelleisenbahn.
Im Vogelsbergkreis entstanden seit den 1990er Jahren zahlreiche Windkraftanlagen. Bei Hartmannshain wurde der erste Mittelgebirgs-Windpark errichtet. Mit einer installierten Leistung von rund 590 Megawatt ist der Vogelsbergkreis hessischer Spitzenreiter. Doch auch die anderen Nachbarkreise sind inzwischen starke Standorte für die Windstrom-Produktion.
Die Vorbehalte im Landkreis Fulda fanden starken Rückhalt in CDU-Kreisen. Dort betrachtete man die verstärkte Förderung der "Erneuerbaren", die vor allem nach dem Atomausstieg der schwarz-gelben Regierung einsetzte, mit Skepsis. Auch nachdem Hessen auf Initiative von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) den Atomausstieg mit dem Ziel umsetzte, rund zwei Prozent der Landesfläche als "Windkraftvorranggebiet" auszuweisen (und damit den Bau von Anlagen auf den verbleibenden Flächen zu verhindern), blieb und bleibt Windkraft ein Streitthema.
Doch auch die Ausweisung der Vorrangflächen durch die Regierungspräsidien entspannte die Situation nicht. Denn im Landkreis Fulda entwickelte sich ein Konsens, die Flächen des Biosphärenreservats Rhön grundsätzlich nicht für Windkraftanlagen freizugeben. Das hat zur Folge, dass insbesondere jene Kommunen im Norden, Süden und Westen des Kreises im Zweifelsfall stärker mit Anlagen bestückt werden könnten. Politisch besonders umstritten ist dies besonders in Hünfeld und Burghaun, wo man über die hohe Zahl möglicher Anlagen klagt und auf die mögliche optische Einkreisung" durch Windräder hinweist.
Insgesamt führte diese Haltung zu einem zeitlich verzögerten und in der Menge geringen Windkraft-Ausbau. Das hat angesichts der veränderten energiepolitischen Situation und der bewusster werdenden Bedrohung durch die Klimaveränderung zur Folge, dass der nun entstandene Ausbau-Druck viele Projekte mehr oder minder gleichzeitig in Gang setzt.
Nach dem - von kirchlicher Weihe begleiteten - Start der Anlagen in Leimbach im Januar 2002 dauerte es 13 Jahre, bis das nächste Projekt fertig wurde: Die drei jeweils 200 Meter hohen Windräder, die Abo Wind bei Hofbieber-Traisbach errichtete, wurden nach langen juristischen Auseinandersetzungen zwischen der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) und dem Bauherrn 2015 in Betrieb genommen. Auch der weitere Windkraft-Ausbau vollzog sich in Eiterfeld: Bei Buchenau gingen 2015/2016 insgesamt 15 etwa gleich große Anlagen ans Netz, und für sieben weitere mit einer Gesamthöhe von 250 Metern läuft gerade das Genehmigungsverfahren.
NEU: ANLAGE BEI EICHENAU
Auch Burghaun, wo man bislang nur direkt hinter der Gemeindegrenze Windräder findet, wird bald Standort werden: Genehmigungsverfahren laufen für Projekte bei Hünhan und bei Steinbach.
Während für die im Vorranggebiet FD 50 zwischen Fulda und Kleinlüder vom Betreiber Juwi ins Auge gefassten bis zu zehn Anlagen das Genehmigungsverfahren noch nicht begonnen hat, findet sich in der aktuellen Übersicht des Landes ein Projekt, das der betroffenen Gemeinde Großenlüder noch gar nicht bekannt war: Abo Wind will bei Eichenau eine 246 Meter hohe Anlage bauen. Bürgermeister Florian Fritzsch (SPD) zeigte sich überrascht: Das Unternehmen sei bislang nicht auf die Verwaltung zugegangen, sagte er, nach dem das RP Kassel die Vermutung der Redaktion bestätigt hatte.
hinug.de/themen/windenergie
Text: Hartmut Zimmermann
Ein Windrädchen namens Jana
Sie ist die kleinste, aber sie hat einen Namen: Jana. Im Jahr 1994 hat Helmut Vogler die Windkraftanlage auf dem 36 Meter hohen Stahlmast bei seinem landwirtschaftlichen Betrieb unweit des Künzeller Weilers Dassen errichten lassen. Weil der seinerzeit aus Berlin angereiste Monteur in jenen Tagen eine Tochter bekam, wurde das Mädchen Namensgeber in der Anlage. Diese ist mit maximal 30 Kilowatt Leistung und einem Rotordurchmesser von etwa 12,50 Metern durchaus überschaubar. Der Strom fließt heute in das benachbarte Bauernhofcafé, das auch mit Solarflächen stark auf erneuerbare Energie setzt. Aktuell macht Jana Pause, weil Reparaturen anstehen.