„Unsere Analyse der Wanderungsstatistik zeigt auf, dass sich inzwischen mehr Menschen für ein Leben auf dem Land entscheiden als noch vor einem Jahrzehnt“, sagte Frederick Sixtus vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in einem Interview, das unlängst vom „Informationsdienst Wissenschaft“ (idw) veröffentlicht wurde.
Den Angaben zufolge erziele aktuell im bundesweiten Maßstab rund zwei von drei Landgemeinden Wanderungsgewinne - ein Jahrzehnt zuvor galt dies nur für rund jede vierte Landgemeinde.
Erhalt von Schule und Kita
„Das wachsende Interesse am Landleben ist für die kleinen Gemeinden grundsätzlich eine gute Nachricht“, kommentierte Catherina Hinz, Direktorin des Berlin-Instituts, die Zahlen. Es biete die Chance, viele demografische Herausforderungen ländlicher Regionen abzumildern. Junge Familien mit Kindern sorgen der Expertin zufolge dafür, dass Schule und Kita erhalten blieben. Zudem seien sie als Fachkräfte bei ländlichen Mittelständlern sehr begehrt. Der Zuzug stelle allerdings für kleine Gemeinden eine Herausforderung dar. „Neuzugezogene und Alteingesessene müssen das Zusammenleben aktiv gestalten. Eine funktionierende Dorfgemeinschaft ist kein Selbstläufer“, so Hinz.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt unterdessen in Analysen, dass 31 Prozent aller Zuwanderungen in ländlichen Gebieten Rückkehrende sind. Die haben häufig weit weg von ihrer Heimat Karriere gemacht und sind für Jobangebote in ihrer alten Heimat offen. Das Gefühl von „Heimat“ lässt zudem viele Osthessen in vielen Fällen wegen der Freunde und der Familie wieder zurückkehren, ergab eine Recherche unserer Zeitung.
Die Chancen, in der alten Heimat schnell wieder Fuß zu fassen, liegen nach den Worten von Benjamin Reinhart (parteiunabhängig), Bürgermeister der Gemeinde Ebersburg, „bei 100 Prozent“ - und zwar bei denen, "die das selbst möchten“. Ähnlich sieht das sein Amtskollege aus Künzell, Timo Zentgraf (parteilos). „Neu“ hinzugezogene Einwohner hätten es da schon schwerer. Die Effekte des „Back to the Roots“-Effekts sieht Zentgraf positiv. So hätten unter anderem örtliche Feuerwehren wieder Chancen auf Nachwuchs und das Vereinsleben erhalte frisch Impulse. „Im Fokus für die Heimkehrer stehen vor allem unsere Baugebiete, wie bei den Bewerbungsverfahren immer wieder deutlich wird“, berichtete indes Markus Röder, Bürgermeister in Hofbieber.
„Es gibt einen Trend zur Rückkehr in die Rhöner Heimat. Dies ist eine äußerst positive Entwicklung“, freut sich auch Peter Kirchner, Bürgermeister der Gemeinde Ehrenberg. „Wer weg war und dann bewusst zurückkommt, weiß oft besonders zu schätzen, was er an der Heimat hat“, sagt er. „Rückkehrer sind Gold wert“, ordnet Christoph Burkard, Regionalmanager und Geschäftsführer der Region Fulda GmbH, das Rückkehrer-Phänomen ein. Der Wirtschaftsfachmann sieht in der Region insbesondere gute Chancen für Rückkehrer, die sich selbstständig machen oder ein Unternehmen übernehmen wollen. „Hier haben wir nach Nachholebedarf.“
Von MIRKO LUIS