Wie war es früher und wie ist es heute? Präsident Karim Khakzar und der frühere Rektor Joseph Dehler im Gespräch.
Prof. Dr. Joseph Dehler, hätten Sie heute gerne den Posten und die Verantwortung von Prof. Dr. Khakzar?
Dehler: Um Gottes Willen. Das wäre mir zu langweilig. Ich bin mehr der Aufbautyp für kritische Zeiten. Karim Khakzar muss nicht mehr um die Existenz der Hochschule kämpfen. Es ist genügend Geld und Personal vorhanden. Unabhängig davon habe ich darüber nie nachgedacht. 1994 habe ich nach drei Wahlperioden die Hochschule voller Vertrauen in meine Nachfolger verlassen.
Herr Khakzar, hätte Sie es gereizt, den Job von Herrn Dehler zu übernehmen?
Khakzar: Am Gestalten habe ich viel Spaß. Wenn es von außen so aussieht, als würde alles von allein laufen, dann habe ich damit kein Problem. Hinter den Kulissen sieht es natürlich anders aus. Wir haben in den vergangenen Jahren viel kämpfen müssen, um zu erreichen, was in Fulda entstanden ist. Zu Zeiten Joseph Dehlers ging es um die Existenz der Hochschule. Wenn kein großer Gestaltungsspielraum vorhanden ist, weil die Rahmenbedingungen es nicht zulassen, dann macht die Arbeit vermutlich nicht so viel Freude.
Sie mussten früher immer wieder kämpfen, die Stimmung war angespannt. Woher kam das?
Dehler: Wir waren eine schwarze Insel in der roten nordhessischen Welt. Schon damals gab es in Kreis und Stadt Fulda eine Mehrheit der CDU. Ringsum war alles SPD-regiert. Die Stimmung in der Landesverwaltung war nicht gerade auf der Seite Fuldas. Und da hat man gesagt: Warum sollen wir in dieses schwarze Fulda investieren? So reifte sogar die Überlegung, die Fachhochschule aufzulösen.
Hat die Politik nicht gemerkt, welche Chance die Hochschule für die Region bedeutet?
Dehler: Der frühere Landrat Fritz Kramer und ich haben kürzlich auf diese Zeit zurückgeblickt. Mein Ziel war es, die Hochschule sozial-ökologisch zu profilieren. Dies fand in der damaligen Vorstellungskraft der CDU keinerlei Widerhall. Mit Kramer habe ich extrem im Clinch gelegen. Wir bekämpften uns bis aufs Messer. Später hingegen entwickelte sich aus der Feindseligkeit eine herzliche, vertrauensvolle Freundschaft.
Wie sieht das Verhältnis Hochschule - Politik heute aus?
Khakzar: Die Zeiten haben sich geändert. Die Hochschule hat heute einen weiteren Auftrag: Neben der Lehre und der Forschung ist die „Dritte Mission“ hinzugekommen. Letztendlich geht es um die Verantwortung für die Gesellschaft. Dazu gehört auch, mit Akteuren aus der Region an den Herausforderungen unserer Zeit zu arbeiten. Wir stimmen uns ab und vertreten unsere Interessen gemeinsam gegenüber der Landesregierung. Dadurch, dass mehr als 1000 Studierende dual studieren, haben wir ausgezeichnete Verbindungen zu Unternehmen und Einrichtungen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist unstrittig, dass der Region nichts Besseres passieren kann als eine Hochschule, die junge Menschen nicht nur aus dem Bundesgebiet, sondern aus aller Welt nach Fulda holt.
Was waren die größten Meilensteine in Ihrer Amtszeit?
Dehler: Wir hatten damals viele gute Ideen für neue Fachbereiche. Nach langen politischen Verhandlungen und Erfolgen standen wir aber vor dem Problem fehlender Räume. So haben wir Räume in der Region anmieten müssen und im Umfeld Flächen gekauft. Nach langen Verhandlungen bin ich erstmals auf das BGS-Gelände vorgedrungen. Damals wurde mir vorgeworfen, das sei der Sargnagel für den BGS“. Später stellte sich die Entscheidung als weitsichtig heraus.
Und immer wieder der Versuch der Einmischung der Politik in die Hochschulpolitik. Ich erinnere mich, dass ich einmal dem OB geraten hatte, er möge sich besser um seine Kanaldeckel kümmern als sich in die Selbstverwaltungsangelegenheiten der Hochschule einzumischen. Hin und wieder gab es auch Konflikte mit den Studierenden.
Wie sahen die aus?
Dehler: Ich hatte grundsätzlich großes Verständnis für die Studentinnen und Studenten. Aber wenn man in einer solchen Funktion ist, gibt es auch mal Reibereien. Einmal störte ein Student meine Vorlesung, um Flugblätter auszuteilen. Weil ich das nicht zugelassen habe, beschimpfte er mich mit „Arschloch“. Ich bin ihm nachgerannt und habe ihn kurz aufs Kreuz gelegt. Dann war Ruhe.
Sie haben einen Studenten auf die Matte gelegt?
Dehler: Nein, nicht auf die Matte. In den Flur. Immerhin Teppichboden.
Wie haben sich die Studentinnen und Studenten verändert?
Khakzar: Die Studierendenschaft ist heute deutlich weniger politisch als damals. Für viele spielt Parteipolitik in der Hochschule keine Rolle. Heute beginnen auch deutlich mehr junge Menschen eines Jahrgangs ein Studium. Gerade an unserem Hochschultyp einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften - studieren viele Menschen aus Nicht-Akademiker-Familien. Das finde ich gut.
Wie viel Nähe und wie viel Distanz braucht man zu seinen Studierenden?
Khakzar: Ein guter Kontakt zwischen Hochschulleitung und den Studierenden ist sehr wertvoll. Obwohl ich seit 2008 in meinem Amt als Präsident von der Lehre befreit bin, habe ich bis vor einem halben Jahr noch Lehrveranstaltungen gehalten, weil mir die Nähe zu den Studierenden wichtig war und weil ich so mitbekomme, was die Studierenden bewegt. Wir haben ein ausgezeichnetes Verhältnis zum AStA. Mit diesem tauschen wir uns regelmäßig aus, stimmen uns ab und organisieren gemeinsame Veranstaltungen.
Wie bewerten Sie das Ansehen der Hochschule? Hat sich das durch das - seinerzeit nicht unumstrittene Promotionsrecht geändert?
Khakzar: Diese kleine Revolution im Hochschulsystem war zunächst umstritten, weil es bis dato als Privileg der klassischen Unis galt. Früher waren die Unterschiede zwischen einer Fachhochschule und einer Uni noch gravierend, zum Beispiel beim Abschluss, dem Diplom (FH). Heute vergeben wir als Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit dem Bachelor und dem Master die gleichen Abschlüsse und dürfen sogar den Doktortitel verleihen. Die Hochschule genießt in der Hochschul-Community einen außerordentlich guten Ruf. Wir haben in Fulda viel Pionierarbeit geleistet und sind eine der forschungsstärksten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften bundesweit.
Welche Visionen haben Sie für die Zukunft?
Dehler: Meine Vision ist wie vor 40 Jahren. Damals hätte ich gern einen Fachbereich Denkmalpflege und ökologisches Bauen eingerichtet. Heute könnte man diesen Studiengang in die Gesundheitswissenschaft integrieren. Toxikologie in Innenräumen ist ein riesiges Thema. Außerdem muss die Nachhaltigkeitsdebatte weiter vorangetrieben werden.
Welche Vorstellungen haben Sie? Und sollte die Hochschule künftig Universität werden?
Khakzar: Wir hoffen, dass wir auch künftig die Zahl von 8.000 bis 10.000 Studierenden halten können. Dafür wollen wir noch internationaler werden. Wir haben jetzt erstmals über 21 Prozent internationale Studierende.
Die Frage nach einer Universität kommt immer wieder auf. Ich versuche dann zu vermitteln, dass wir im Prinzip alles haben, was wir als Uni auch hätten - außer vielleicht einer etwas besseren Finanzierung. Die Unterschiede sind jedoch marginal. Daher würde ich mir wünschen, dass diese Sehnsucht nicht ganz so ausgelebt wird.
Text: Sabrina Mehler