Mehrere Tische mit bunten Stühlen, ein Büchertauschregal, eine Sofaecke, hier und da eine Topfpflanze, ein Tresen und natürlich ein Tischkicker: Das Café Chaos im Gebäude 46 der Hochschule Fulda wirkt unscheinbar und hat zugleich eine bewegte Gründungsgeschichte. Vor 41 Jahren hat eine Studierende Selbstmord begangen. In ihrem Abschiedsbrief ging es viel um die soziale Kälte, die auch unter den Studierenden auf dem Campus herrscht“, erzählt Nicolas Weyel.
Der AStA-Mitarbeiter betreut die Einrichtung seit eineinhalb Jahren und in Zusammenarbeit mit seiner Kollegin Nathalie Dost. „Nach diesem Vorfall haben sich die Fachbereiche Sozial- und Kulturwissenschaften, Soziale Arbeit und die Oecotrophologen, deren Fachbereich damals noch Haushalt und Ernährung hieß, zusammengetan und das Café gegründet aber eben nicht nur als - Café, sondern auch als sozialen und kulturellen Raum. Es fanden also auch schon damals regelmäßig Veranstaltungen statt.“
Das damals noch namenlose Café erhielt seine heutige Bezeichnung Weyel zufolge erst wenige Jahre später aus der Studierendenschaft heraus, welche sich um den Raum kümmerte.
Nach und nach zogen sich die Fachbereiche wegen des zu hohen Aufwands aus dem Projekt zurück. Am Schluss blieben nur noch die Oecotrophologen übrig, welche das Café eine Zeit lang mit einem eigenen Verein, ProFu e.V., betreuten, bevor schließlich der AStA übernahm. Das war 2013. Damals gab es noch die Gastro, das Café war also noch wirklich eines“, erzählt Weyel. Das kulinarische Angebot umfasste neben dem Café-Angebot auch Mittagessen.
2020 kam Corona. Während der Pandemie war Zeit, das Konzept des Cafés neu zu überdenken, und der AStA beschloss, die Gastro aus finanziellen Gründen zu streichen.“ Während die Gastro zum Erliegen gekommen ist, blüht das kulturelle Leben. Wir haben das ganze Semester über Kulturveranstaltungen.“ So veranstalte etwa die Psychosoziale Beratung einmal im Monat einen Filmabend mit anschließender Diskussionsrunde. Die Fachschaftsräte organisieren regelmäßig Spieleabende, es gibt Open-Mic- und Karaoke-Abende und eine Art Kneipenquiz, das hier natürlich „Chaos-Quiz“ heißt.
Zusätzlich finden viele politische Veranstaltungen statt. Der Rahmen hierfür ist klar: „Wir dürfen politisch arbeiten, aber nicht parteipolitisch.“ Die Veranstaltungen werden dabei auch von Externen besucht, auch wenn sie nicht aktiv eingeladen werden. Zusätzlich ist der Raum tagsüber geöffnet. „Die Studierenden können daraus im Prinzip machen, was sie wollen. „Manche lernen hier, manche verzehren hier ihr Essen, andere spielen stundenlang Kicker, lesen oder machen ein Nickerchen auf dem Sofa.“
Lern-, Lese-, Spiel- und Schlafplatz: Das Café Chaos ähnelt mit seiner für viele Bedürfnisse angepassten Funktionsweise ein wenig dem Raum der Wünsche aus Harry Potter. Nicolas Weyel erinnert sich an den Anfang und an den Wandel über die Jahre: „Sofalandschaften, alte Tische, durcheinandergewürfelte Stühle, ein aus Ikea-Teilen und angemalten Holzbrettern gebauter Tresen - das hatte WG-Flair. Etwa im Jahr 2015 hat der AStA dann in modernes Inventar investiert.“
Zum 40-Jährigen gibt es zwar keine öffentliche Veranstaltung. Es werden aber Ehemalige eingeladen natürlich zum Kaffee. Text: Marcus Lotz