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Geschichte und Zukunft der Fuldaer Zeitung: An der Rezeptur ändert sich nichts

Chefredakteur Michael Tillmann spricht über die 150-jährige Geschichte der Fuldaer Zeitung, den Wandel in der Medienlandschaft und die Zukunft des Qualitätsjournalismus.

Erstellt: Freitag, 12.07.2024
Geschichte und Zukunft der Fuldaer Zeitung: An der Rezeptur ändert sich nichts

Blattmacher und Chefredakteur, der sich nicht als besser wissender Trainer am Spielfeldrand, sondern Team-Motivator mittendrin sieht: Michael Tillmann. Foto: Jonas Wenzel

Die Fuldaer Zeitung feiert in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1874 hat sie sich weit über die Grenzen von Osthessens hinaus zu einer festen Größe und einem Blatt mit besonderen Qualitätsansprüchen in der Medienlandschaft entwickelt und etabliert. Dazu haben bislang insgesamt 16 Chefredakteure beigetragen, die die Zeitung maßgeblich geprägt haben, in der Öffentlichkeit repräsentierten und dieser Impulse verliehen.

Wir führten mit Michael Tillmann (62), seit 2013 Chefredakteur der Fuldaer Zeitung, nachfolgendes Interview über die Geschichte, den Wandel und die Zukunft unserer traditionsreichen Zeitung.

150 Jahre sind ein stolzes Alter. Wie schafft es die Fuldaer Zeitung, Tradition und Innovation zu vereinen, um weiterhin relevant und zukunftsweisend zu bleiben?

150 Jahre jung! Zunächst einmal: Wir sind tatsächlich stolz darauf, unsere Region Tag für Tag, Woche für Woche, Jahrfür Jahr mit Nachrichten aus der Region zu versorgen. Aus dieser Tradition heraus wollen wir auch die Zukunft gestalten. An der Rezeptur ändert sich dabei nichts: Wir sind Teil der Region, wir sind Anwalt der Region-wohl aber werden, die Formen, wie Nachrichten vermittelt werden, vielfältiger. Relevant bleibt, wer „Mehr Hintergrund“, „Mehr Meinung“, „Mehr Wert“ ernst nimmt. Ob in der gedruckten Zeitung, im E-Paper oder online.

Wir sind Teil der Region, wir sind Anwalt der Region - wohl aber werden die Formen, wie Nachrichten vermittelt werden, vielfältiger.

Welche Rolle spielt die lokale Berichterstattung für Sie und wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, eine starke und unabhängige lokale Zeitung wie die Fuldaer Zeitung eigenständig zu erhalten?

Wir sind Teil unserer Heimat - wir identifizieren uns mit unserer Heimat, wir wissen, wie die Menschen hier denken und fühlen. Kurz: Wir sind die Heimatzeitung. Deshalb ist die durchdringende Berichterstattung aus allen Städten und Gemeinden, aus den Ortsteilen, den Vereinen und Organisationen unsere Aufgabe und unser Anspruch. Ob Kommunalpolitik oder Jugendsport: Die lokale Berichterstattung ist unser zentraler Anspruch. Um dem gerecht zu werden, ist es wichtig, Einflüsse von außen zu vermeiden. Eine gute Heimatzeitung ist wirtschaftlich und publizistisch unabhängig. Bei aller Vielfalt der Meinungen.

Was treibt Sie persönlich an, jeden Tag informativen Journalismus mit Mehrwert für den Leser zu produzieren - welche Werte liegen Ihnen dabei besonders am Herzen?

Glaubwürdigkeit, Seriosität, Fairness, das ist der Anspruch unserer Redaktion. Nicht aus Bequemlichkeit mit dem Strom schwimmen, aber auch nicht aus Eigeninteresse heraus gegen den Strom schwimmen.

Ein gutes Nervenkostüm war früher wichtig, ist es heute und auch in Zukunft.

Gibt es ein journalistisches Erlebnis oder eine Anekdote aus Ihrer Zeit als Redakteur, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist? 

Der heutige Landrat Bernd Woide wäre 1999 nicht Bürgermeister in Fulda geworden, wenn der seinerzeitige OB Alois Rhiel nicht auf Nachfrage unserer Zeitung die Entscheidung der CDU-Fraktion für einen anderen Kandidaten noch am gleichen Abend öffentlich heftig kritisiert hätte. Das war aufregender, investigativer Journalismus. Ergebnis: Die CDU-Fraktion fiel um. Woide wurde Bürgermeister. Was er heute ist, wissen wir alle.

Wie fördern Sie die journalistische Entwicklung Ihrer Journalisten und Volontäre und welchen Stellenwert hat deren persönliches Engagement für Qualität und den Erfolg Ihrer Arbeit?

Ein guter Trainer steht nicht nur am Spielfeldrand und weiß alles besser. Also immer mittendrin dabei sein. Wir spornen uns gemeinsam an, haben gemeinsam Erfolg und kritisieren Einzelne nicht für den Misserfolg. Ein Spruch ist mir im Kopf: „Guten Journalismus kannst Du nur im Kreise gleich engagierter machen.“

Inwiefern hat sich das Berufsbild von Journalisten im digitalen Zeitalter gewandelt - was müssen heutige Berufseinsteiger für Fähigkeiten und Charaktereigenschaften mitbringen, um im Job zu bestehen?

Journalisten sind keine Halbgötter in Weiß. Nehmen wir uns bitte selbst nicht zu wichtig. Das zum Charakter. Ein gutes Nervenkostüm war früher wichtig, ist es heute und auch in Zukunft.

Welchen Stellenwert hat der Servicecharakter der Zeitung heute und auf welche Weise geht die Fuldaer Zeitung auf die Bedürfnisse und Wünsche der Leserschaft ein?

Ich vergleiche die Zeitung manchmal scherzhaft mit einem Bauchladen, den man vor sich trägt. Eine jede Leserin, ein jeder Leser „liebt“ etwas ganz Besonderes: Für den einen ist es die Börsenseite, für die andere das Wetter auf Mallorca oder es sind die täglichen Veranstaltungstipps auf unserer„Was, wann, wo“-Seite. Nicht jeder möchte alles, aber wenn einmal die Comic-Seite fehlt oder das Rätsel vergessen wurde, dann wird das sofort bemerkt.

Wir spornen uns gemeinsam an, haben gemeinsam Erfolg und kritisieren Einzelne nicht für den Misserfolg.

Vielen Dank für das Gespräch. Abschließend würde ich gerne Ihre Einschätzung wissen, ob Tageszeitungen wie die Fuldaer Zeitung in der digitalen Ära noch eine Zukunft haben.

Daran glaube ich unbedingt. Qualität wird sich immer durchsetzen. Und für Qualität stehen wir seit 150 Jahren - und wollen dafür auch in der digitalen Zeit einstehen.

ZUR PERSON

Michael Tillmann
verheiratet, zwei
Töchter, vier Enkel

Redakteur seit 1984

seit 1991 im
Verlag Parzeller,

seit 2013
Chefredakteur

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